Was ist Osteopathie?

Osteopathie ist eine manuelle Form der Medizin, die auf den Körper in seiner Gesamtheit eingeht und das Individuum als Einheit betrachtet, bei der sowohl die Erkennung als auch die Behandlung von artikulären, muskulären, faszialen und viszeralen Gewebsschmerzen im Vordergrund stehen.

Eine der Besonderheiten der Osteopathie besteht darin, dass sie in erster Linie die Aufrechterhaltung oder (relative) Verbesserung der lebensnotwendigen Körperfunkionen anstrebt (will sagen die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Körpers bzw. die Unterstützung der Selbstregulierung).

Im Gegensatz dazu widmet sich beispielsweise die allopathische Medizin ganz und gar dem Kampf gegen Krankheiten und deren Symptome durch äußere Mittel (Medikamente, chirurgische Eingriffe usw.).

Dies zeigt, dass der allopathische und der osteopathische Ansatz der Medizin sich durchaus ergänzen können und diese Disziplinen sich nicht gegenseitig ausschließen.

Aufgrund der Eigenheiten, Komplexität und Entwicklung der jeweiligen Ansätze ist es jedoch für ein und denselben Therpeuten schwer möglich, beides gleichzeitig zu praktizieren.

Nach Durchführung einer Anamnese und einer klinischen Untersuchung des zu behandelnden Patienten ist der Osteopath in der Lage festzustellen, ob die Situation in seinen Kompetenzbereich fällt (Differenzial- oder Ausschlussdiagnostik) oder ob eine zweite Meinung, eine medizinische Behandlung oder auch eine klassische medizinische Untersuchung anzuraten sind. Dem Patienten wird dann nahegelegt, seinen behandelnden Arzt aufzusuchen oder sich an einen geeigneten Heilberufler zu wenden.

In den anderen Fällen ist weiterhin der Osteopath gefragt, der nun eine osteopathische Diagnostik (≠ medizinische Diagnostik) durchführt. Diese umfasst das Aufspüren von Einschränkungen der Mobilität (oder der Motilität) im Bereich der Gelenke und des Gewebes, sprich den osteopathischen Läsionen (oder somatischen Dysfunktionen), da diese Einschränkungen der Mobilität (oder Motilität) die Ursache für das Auftreten der Erkrankung(en) und/oder Funktionsstörung(en) sein können, oder etwas mit ihrem Erscheinen zu tun haben können.

Die auf Grundlage dieser Diagnostik durchgeführte osteopathische Behandlung zielt darauf ab, die Mobilität (oder Motilität) so gut es geht wiederherzustellen, was bei jedem Einzelnen entsprechend seiner physiologischen Situation prinzipiell etwas anderes bedeutet.

Ausgehend von einer auf der Anatomie, Physiologie und Embryologie beruhenden Denkweise, können die Ziele, die durch den ostepathischen Ansatz erreicht werden sollen, wie folgt beschrieben werden:

    1

    Aufspüren der Elemente, die die normalen Prozesse der Gesundheitserhaltung und -wiederherstellung des Patienten hemmen können;

    2

    Zurechtrücken dieser Elemente anhand manueller Mittel (strukturelle Techniken, durch direkte oder indirekte Handgriffe: u. a. auf faszialer, viszeraler und kranialer Ebene);

    3

    Aktivierung des Körpers, damit dieser sein Gleichgewicht (Homöostasie) und seine relative Gesundheit wiederfinden kann.

In der Praxis werden zwei Arten manueller Grifftechniken von den Ostepathen angewandt :

1.
Strukturelle
Manipulation

Die Erste, sogenannte strukturelle Manipulation umfasst die manuellen Techniken (durch Gelenkmanipulation (Krachen) und Gelenktechniken, Muskelenergietechniken etc.), während

2.
Funktionale
Behandlung

die Zweite, sogenannte funktionelle Behandlung auf dem Ertasten körperlicher Störungen beruht. Dabei fährt die Hand des Osteopathen entlang der Spannungen des Organismus, um sie anhand verschiedener Techniken (fasziale Techniken, Jones-Technik, Sutherland-Technik, viszeraler, kranialer Ansatz u. a.) „abzurollen“ und so zu lösen.

Diese beiden Ansätze ergänzen sich gegenseitig, und der Osteopath muss in der Lage sein, sie entsprechend der therapeutischen Indikation richtig anzuwenden.

Die Osteopathie kann als eine Aufwertung der gewöhnlichen biomechanischen Zusammenhänge eines Individuums definiert werden. Dabei werden diese Zusammenhänge als unerlässliche Faktoren für das Erlangen, die Aufrechterhaltung und die Wiederherstellung des indviduellen Gesundheitszustands angesehen.

Definition nach M. Rocques D. O., Apostille Nr. 15, S. 39–40.

Die somatischen Funktionsstörungen der Patienten können unterschiedliche Ursachen haben und einhergehen mit:

  • einer traumatischen Vergangenheit, die zu mechanischen Blockaden geführt hat,
  • ungesunden Haltungsgewohnheiten,
  • falschen, wenn nicht gar ungesunden Essgewohnheiten,
  • der Einnahme jeglicher Art von Drogen, einschließlich des Missbrauchs oder der unsachgemäßen Einnahme von Medikamenten,
  • körperlicher und geistiger Überbeanspruchung,
  • Stress, seelischer Verzweiflung oder geistigen Schwierigkeiten,

Solange diese Faktoren nicht als Ursache für die Funktionsstörungen in Betracht gezogen werden, sind die therapeutischen Ergebnisse (egal welches therapeutische System angewandt wird) unbeständig oder nicht von Dauer. Der Osteopath versucht daher im Rahmen der Behandlung, das mechanische und physiologische Gleichgewicht seines Patienten wiederherzustellen, aber auch ihm dabei zu helfen, mögliche Schwierigkeiten anderer Art zu lösen, indem er ihn an die entsprechenden Stellen verweist, wo die dazu passende Unterstützung geboten wird.

Wie jede therapeutische Disziplin ist die Osteopathie kein Allheilmittel, sondern es muss eine Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten stattfinden: allopathische Medizin, Zahnmedizin, Psychologie, Podologie, Ernährungsberatung, Hygiene ...

Seit nunmehr einem Jahrhundert stellt die Osteopathie für die Osteopathen, aber vor allem für die Patienten, die behandelt wurden oder jetzt und in Zukunft behandelt werden, ein wirksames Mittel zur Lösung oder Linderung bestimmter physischer Spannungen, die im Laufe des Lebens auftreten, sowie eine spürbare Zunahme der Lebensqualität dar.